Gold Die neue Weltwährung

Gold

Die neue Weltwährung

Die Weltkonjunktur ist im Keller, der Goldpreis auf Rekordniveau – bekommen wir eine neue Weltwährung? Der Hintergrund, die Zukunft, die Investment-Chancen
Die Organisatoren der Olympischen Spiele 1988 in Seoul hatten das Motto erkannt. „Go for Gold“ hieß der Titelsong. Die Band trug auch noch den Namen The Winners. Die erfolgreichste Sportlerin war die Schwimmerin Kristin Otto. Sie holte für die DDR sechs Goldmedaillen. Heute ist Otto als Sportmoderatorin für das ZDF tätig. Sie besitzt ihre Medaillen noch immer – und deren Wert ist im Lauf der Zeit mächtig gestiegen. Würde man heute die gleiche Menge Gold wie 1988 kaufen, müsste man mehr als das Dreifache dafür bezahlen.

Die Alternative Gold. Frau Otto wird das egal sein. Ihr geht es um den ideellen Wert. Doch die Börsen sind elektrisiert: Zuletzt hat der Goldpreis ein neues Rekordhoch erreicht. Er ließ die Marke von 1000 US-Dollar je Feinunze deutlich hinter sich. In den letzten zwölf Monaten betrug das Plus gut 40 Prozent. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen: Angst vor einem schwachen Dollar, Sorge vor weiteren bösen Überraschungen in der Finanzkrise, Schutz vor Inflation. Angst, Sorge, Schutz – das sind die Oberbegriffe, wenn es um Gold geht. Doch zu dem Edelmetall passen auch Wörter wie Knappheit, Nachfrage, Zukunft. Man geht nicht zu weit, wenn man fragt: Ist Gold auf dem Weg zu einer neuen Weltwährung? FOCUS-MONEY stellt das Edelmetall auf den Prüfstand: die Hintergründe, die fundamentale Lage, die charttechnische Situation, der Ausblick. „Gold übernimmt die Rolle der Alternativwährung“, sagt Manuel Tenekedshijew von der Fondsgesellschaft DWS im Interview (s. S. 16). Die passenden Investment-Chancen finden Anleger ab Seite 18. Dazu gehören Aktien, Fonds, ETFs oder Zertifikate.

Die meisten Experten rechnen mit einem weiteren Aufschwung des Goldpreises. Die Deutsche Bank erwartet 2010 ein Kursniveau von 1100 Dollar je Feinunze. Jordan Kotick von Barclays Capital sieht einen Preis von 1500 Dollar, der Londoner Broker Goldcore sagt mittelfristig Kurse von 2000 Dollar voraus. Eckart Langen von der Goltz, Gesellschafter bei der Vermögensverwaltung PSM, prophezeit langfristig einen Goldpreis von 3000 Dollar.

Was auf den ersten Blick nach Wettbieten aussieht, hat durchaus eine fundamentale Basis. Das zentrale Argument für einen steigenden Goldpreis ist der Dollar. Ben Bernanke, Chef der amerikanischen Notenbank Fed, tendiert zu einer lockeren Geldpolitik. Der Leitzins werde über einen „längeren Zeitraum“ auf dem gegenwärtigen Niveau von null bis 0,25 Prozent verharren, hieß es Ende September. Zu groß ist die Befürchtung, dass bei einer schnellen Trendwende der Geldpolitik ein erneuter Konjunktureinbruch droht. Ist die nationale Währung niedrig bewertet, stärkt das immerhin die Exportwirtschaft und kompensiert teilweise die Malaise am Binnenmarkt. Die Fed wird die US-Wirtschaft daher weiter mit massiven Liquiditätsspritzen versorgen, sprich, Geld drucken. Allein seit März hat die amerikanische Währung gegenüber dem Euro 15 Prozent verloren. Der Dollar-Index, der den Kursverlauf des Greenback gegenüber den Währungen der sechs wichtigsten Handelspartner misst, büßte rund 14 Prozent an Wert ein.

Was das bedeutet? Sogenannte Carry-Trader, die sich billig in Dollar verschulden, um das Geld mit höheren Renditen in anderen Währungen anzulegen, werden mit ihrem Treiben fortfahren und die US-Währung weiter unter Druck setzen. In der Folge bleibt der Dollar als Anlageziel unattraktiv – und das nicht erst seit heute. Seit dem Jahr 2000 sank der Anteil des Dollar an den Weltreservewährungen von 71 auf 64 Prozent.

Dagegen spricht für Gold, dass es ein sicherer Hafen ist – zumal viele Notenbanken bei Verkäufen künftig weiter eingeschränkt sind. Das neue Central Bank Gold Agreement, kurz CBGA, ist seit Ende September 2009 gültig. Es läuft bis 2014 und begrenzt die jährlichen Goldverkäufe der 18 im CBGA-Verband enthaltenen europäischen Notenbanken auf 400 Tonnen, nach 500 Tonnen in den fünf Jahren zuvor. Und nicht nur das: Die Notenbanken zeigen sich zunehmend zögerlich bei ihren Verkäufen. Vieles deutet darauf hin, dass die Regierungen Gold für den Fall weiterer Währungsturbulenzen vorhalten wollen. So baute China seine Reserven seit 2003 um 76 Prozent auf 1054 Tonnen aus und sitzt damit auf höheren Beständen als die Schweiz. Davor liegen nur noch Frankreich, Italien, der Internationale Währungsfonds (IWF) sowie Deutschland und der Spitzenreiter USA. Die Reserven der Amerikaner übersteigen die der Chinesen um das Achtfache.

Der Investor China. Doch Peking hat sich längst zu einem Ausbau seines Gold-Engagements bekannt. Der IWF will mit dem Verkauf von 403 Tonnen rund 75 Prozent seiner neuen Kredite finanzieren – China hat Interesse signalisiert. Muss es auch. Denn Peking hat bisher nur 1,9 Prozent seiner Devisenreserven in das Edelmetall investiert. Damit setzt man sich selbst einem zu großen Anlagerisiko aus. In den USA liegt dieser Anteil bei 77 Prozent, in Deutschland sind es 69 Prozent. Auch andere Länder haben Nachholbedarf: In Japan und Singapur liegt der Anteil an den Reserven bei 2,3 Prozent, in Russland, Indien und Taiwan sind es 4,3 Prozent, Hongkong hat überhaupt keine Gelder in Gold investiert. „Wir werden nun sehen, dass die Notenbanken einen Übergang von großen Nettoverkäufern zu großen Nettokäufern vollziehen“, sagt Jeffrey Christian vom Marktforschungsinstitut CPM. Gerade China hat es hier leicht: Im ersten Halbjahr produzierten die heimischen Minen über 152 Tonnen – das entspricht einem Weltmarktanteil von rund 13 Prozent. „Vieles vom produzierten Gold wird künftig gleich im Land bleiben“, schreibt die Erste Bank in einer Studie.

Auch andere Experten glauben an den China-Hunger. „Es gibt eine Flucht ins Gold. China will weg vom Dollar, genau wie Russland und Japan. Deshalb werden sie in Gold investieren“, sagt PSM-Gesellschafter von der Goltz. Zu einem späteren Zeitpunkt komme die Inflation als weiterer Faktor hinzu. Andererseits drängt sich die Frage auf: Hat der Goldpreis nicht das alles vorweggenommen? Mitnichten. Gold ist ein Knappheitsprodukt, ein Sachwert. Es saugt die Inflation auf. Papiergeld kann dagegen in beliebiger Menge gedruckt werden. Je mehr Papiergeld, desto mehr Geldentwertung. Und anders als bei Aktien spiegelt Gold nicht so sehr die künftige Erwartung wider, sondern liegt mit seinem Preis eher am tatsächlichen inneren Wert. 1980 erreichte Gold ein his-torisches Hoch bei 850 Dollar je Unze, das wären inflationsbereinigt rund 2300 Dollar. Anders formuliert: Damals – in Zeiten kräftiger Geldentwertung – waren die Menschen bereit, deutlich höhere Preise für das Edelmetall zu bezahlen. Das relativiert die auf den ersten Blick so optimis-tischen Prognosen vieler Experten deutlich.

Die große Nachfrage. Hinzu kommt, dass die Nachfrage von physischem Gold in den letzten Jahren auch bei privaten Investoren angestiegen ist. Beispiel ETF Securities. Bei dem auf Rohstoffe spezialisierten Anbieter von ETFs und ETCs stiegen die Goldbestände seit Ende 2008 um 40 Prozent auf ein neues Allzeithoch von rund 8,4 Millionen Unzen, allein in den letzten sechs Wochen wuchsen sie um fünf Prozent. Seit Mitte 2007 hat sich der Goldbestand mehr als verdoppelt. Dagegen überschritt die weltweite Förderung ihren Höhepunkt bereits Anfang dieses Jahrtausends (s. Grafik links). Und – die Nachfrage ist ungebrochen. Sicher: Es sind auch Spekulanten am Markt. Belege dafür gibt es bei der New York Mercantile Exchange, der weltgrößten Warenterminbörse. Vergleicht man die Entwicklung des Goldpreises seit Mitte 2008 mit den gehaltenen Kaufoptionen, so ergibt sich ein erstaunlicher Gleichlauf beider Linien. Andererseits hat die physische Nachfrage, also die tatsächlichen Käufer, im selben Zeitraum ebenfalls entsprechend zugenommen – nur eben konstanter und mit geringeren Schwankungen.

Und was passiert, wenn der Dollar wieder an Stärke gewinnt? Das muss das Gold nicht schwächen, im Gegenteil. Grund: Ein nachhaltig steigender Dollar setzt eine Trendwende bei der Zinspolitik der Fed voraus. Und das wiederum setzt voraus, dass die US-Wirtschaft wächst. Ein Wirtschaftswachstum in den USA oder in Euro-Land hätte aber wiederum eine höhere Inflation zur Folge – kein schlechtes Argument für Gold. Und nicht nur das: Sollten sich die globalen Volkswirtschaften erholen, wird auch die Schmucknachfrage anziehen. Ein wichtiger Markt, immerhin wanderten im zweiten Quartal 2009 rund 56 Prozent des produzierten Goldes in diesen Industriezweig.

Unterm Strich mausert sich das Edelmetall zur echten Alternative zum Dollar. Die heimliche Weltwährung. Denn der Greenback wird weiter an Macht verlieren, während Gold an Bedeutung gewinnt – und an Wert. Als Zahlungsmittel werden wir es aber wohl nicht erleben. Das glaubt auch Robert Halver nicht, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. „Ich habe keine Angst vor steigenden Edelmetall-Preisen“, sagte der Experte vergangene Woche auf einer Vortragsveranstaltung in München. „Doch an dem Tag, an dem Ihr Handwerker Gold statt Geld will, müssen Sie sich ernsthaft Sorgen machen.“

(Quelle: Mittwoch, 14.10.2009 von FOCUS-MONEY-Redakteur Thorsten Jacobs)