DIE WAHRE WÄHRUNG

GOLD

DIE WAHRE WÄHRUNG

Gold steht für Reichtum und Macht. Seit Jahrtausenden ist es Objekt menschlicher Begierde. Warum Gold seinen Wert bewahrt
Zu Zeiten des babylonischen Königs Nebukadnezar II. war der Wert des Goldes nach Berechnungen des Wirtschaftswissenschaftlers Stephen Harmston so bemessen, dass man für eine Unze 350 Laibe Brot bekam. Heute zahlt der Investor für eine Unze Gold, das sind 31,1 Gramm, etwa 770 Euro. Setzt der Anleger nun den aktuellen Preis für einen Laib Brot mit rund 2,20 Euro an, bekommt man noch immer 350 Laibe Brot dafür. Das ist eine Wertbeständigkeit, die staunen macht. Schließlich ist nichts selbstverständlich daran, dass ein Edelmetall im Deutschland des 21. Jahrhunderts die gleiche Kaufkraft besitzt wie vor 2600 Jahren zwischen Euphrat und Tigris. Wenn man bedenkt, wie viele Reiche und Herrscher seither ins Land gegangen sind, wie viele Generationen in dieser Zeit gelebt und gearbeitet haben, in wie viel verschiedenen Währungen die Menschen Vermögen geschaffen und – durch Kriege, Katastrophen oder Währungsreformen – verloren haben, verblüfft die Wertbeständigkeit des Goldes noch mehr.

Die Legende lebt. Noch zum Ende des 20. Jahrhunderts erklärten auch viele Fachleute Gold zum Auslaufmodell in Sachen Wertsicherheit. Der Preis für eine Unze befand sich nach dem Hoch von exakt 850 Dollar im Januar 1980 im Sinkflug und lag im August 1999 bei nur noch 252,55 Dollar je Unze. Zwei Jahre zuvor, am 13. Dezember 1997, hatte die „Financial Times“ eine Titelgeschichte mit der Überschrift „Der Tod des Goldes“ gebracht. Doch Totgesagte leben bekanntlich länger. Und so erfuhr die schon abgeschriebene Vermögensanlage seither einen zunächst kaum bemerkten und jüngst geradezu sensationellen Wiederaufstieg. Im März vergangenen Jahres durchbrach das Gold erstmals die magische Marke von 1000 Dollar je Unze. Ein Hauptgrund: Angesichts der Finanzkrise und der Dollar-Flut, die die amerikanische Notenbank in die Märkte pumpt, befürchten immer mehr Anleger eine Geldentwertung und flüchten in den uralten, sicheren Hafen Gold. Allein seit Mitte November ist der Goldpreis um 35 Prozent auf 970 Dollar je Unze gestiegen.

Jahrtausendealter Mythos. Der Mythos Gold begann vermutlich bereits, als vor rund 6000 Jahren in Südosteuropa die ersten Gegenstände aus Gold gefertigt wurden. Welch wichtige Rolle das seltene, rötlich gelbe Metall schon in der Bronzezeit spielte, lehrte nicht nur Archäologen auch die 1999 in Sachsen-Anhalt gefundene „Himmelsscheibe von Nebra“. Die Darstellungen auf der fast 4000 Jahre alten Bronzeplatte überraschten nicht nur wegen der offenkundigen astronomischen Kenntnisse, die die Menschen der Bronzezeit bereits besaßen, sondern auch durch die Feinheit der sie schmückenden Goldplättchen.

Gold spielte für die Menschen auf allen Kontinenten und zu allen Zeiten eine wichtige Rolle. Denn es war selten zu finden, schön anzuschauen und relativ leicht zu bearbeiten. Bereits 3000 vor Christus verehrten die Ägypter das vergleichsweise weiche Material als den „dehnbaren Stein“, den sie aus Minen in Nubien (im heutigen Sudan) und Oberägypten holten. Goldbesitz war allein den Priestern und Pharaonen vorbehalten. Weil das Metall so wertvoll war und ihm auch Umwelteinflüsse und Jahrtausende nichts anhaben konnten, ließen sich die Pharaonen die edelsten Goldarbeiten mit in ihre Pyramiden geben – so war für ein Weiterleben nach dem Tod in angemessenem Ambiente gesorgt.

Sagenhafter Reichtum. Wohl weil sich so viele Facetten der menschlichen Natur in ihm wiederfinden, spielt Gold schon so früh in der Menschheitsgeschichte eine wichtige Rolle. Nicht nur in der Herstellung von Schmuck, sondern auch in den Geschichten, Sagen und Mythen der Völker – überall ist Gold im Spiel. Denn das edle Metall war und ist eine ideale Projektionsfläche für die Menschen: Es zeugt von Macht und Reichtum, es befriedigt die Eitelkeit und stillt (vorübergehend) die Gier. Es symbolisiert aber auch – zum Beispiel im goldenen Ehering – die Liebe, es steht als Belohnung für die Tugend, und es soll – als Amulett – den Beschenkten schützen.

Auch im Alten Testament kann man an vielen Stellen nachlesen, wie wichtig Gold seinerzeit war – und wie wenig sich bis heute geändert hat. So steht der zur Schau gestellte Reichtum von König Salomo dem Protzen heutiger Potentaten mit goldenen Wasserhähnen in nichts nach, wie der Auszug aus dem 4. Buch Mose (1 Koe 10, 18 und 21) zeigt:

Und der König machte einen großen Thron aus Elfenbein und überzog ihn mit reinem Gold. Und alle Trinkgefäße des Königs Salomo waren aus Gold, und alle Geräte des Libanonwaldhauses waren aus gediegenem Gold.

Doch das Buch der Bücher kennt auch eine andere Sicht, wenn es erzählt, wie die Israeliten von ihrem Gott abfallen und sich aus goldenen Ohrringen ein Goldenes Kalb als Ersatzgott erschaffen. Um dieses tanzen sie dann herum, bis Moses vom Berg Sinai heruntersteigt, wo er von Gott die zehn Gebote empfangen hat. Der zornerfüllte Religionsführer wird handgreiflich gegen das Goldene Kalb und „zermalmte es, bis es feiner Staub war“.

Reiche Römer. Nicht nur in der Religion, auch in der realen Geschichte hinterließ das Gold tiefe Spuren. So schürften die Römer in großem Stil nach „aurum“ und entwickelten mit der Ausdehnung ihres Weltreichs auch die Technik des Goldabbaus immer weiter. In Nordspanien ließen sie Berge abgraben und sogar Gesteinsformationen mit Feuer und Essig sprengen, in denen sie Gold vermuteten. Wie sehr das Gold die Menschen begeisterte und beschäftigte, zeigte sich auch im Mittelalter. Immer wieder glaubten sich Alchemisten kurz davor, Gold herstellen zu können. Auch in vielen Grimm´schen Märchen wie dem vom Goldesel oder der Goldmarie geht es um den Stoff, aus dem die Träume sind. Und das Rumpelstilzchen erfüllte den alten Alchemistentraum und verhalf der Müllerstochter dazu, aus Stroh Gold zu spinnen.

Europa im Goldrausch. Mit der Entdeckung der Neuen Welt 1492 bekam der Traum vom Gold neue Nahrung. Im wahrsten Sinne: Denn während bis dahin die real vorhandene Goldmenge in Europa nur langsam gestiegen war, rangen die Konquistadoren mit blutigem Schwert den Völkern Mittel- und Südamerikas ihre Goldschätze ab und brachten sie über den Atlantik. So wurde Spanien zum reichsten Land Europas. Auch die nordamerikanischen Siedler folgten dem Lockruf des Goldes. Halb Kalifornien verfiel 1849 in einen ekstatischen Goldrausch.

Bis heute gründet der Mythos des Goldes darauf, dass es als letzte Sicherheit gilt, wenn alle übrigen Sicherheiten wegfallen. Der frühere US-Notenbank-Chef Alan Greenspan hatte schon 1966 in dem Aufsatz „Gold und wirtschaftliche Freiheit“ über die Überlegenheit des Goldes gegenüber Papierwährungen philosophiert. 1999 bekräftigte er seine Position: „Gold ist weltweit immer noch das letztgültige Zahlungsmittel. Papiergeld wird im Extremfall von niemandem akzeptiert. Gold wird immer akzeptiert.“

Alle wichtigen Währungen von Deutschland über Frank-reich und Großbritannien bis in die USA waren bis 1915 durch eine Hinterlegung mit Gold gedeckt. Dieser „Goldstandard“ garantierte dem Besitzer von Papiergeld, dass er es jederzeit gegen eine festgelegte Menge an Gold eintauschen konnte. Da nicht alle dies gleichzeitig einforderten, genügte es, für ein Drittel bis ein Viertel der Geldmenge physisches Gold einzulagern. Der Erste Weltkrieg beendete dieses System der stabilen Wechselkurse, denn die Staaten brauchten mehr Geld für die Kriegsführung. Dennoch: Die neue Leitwährung Dollar war seit 1934 mit einem Preis von 35 Dollar je Feinunze fest ans Gold gebunden. Der private Goldbesitz war US-Bürgern allerdings von 1934 bis 1974 verboten.

Ungedeckte Dollars. 1944 legten die späteren Siegerstaaten in Bretton Woods die Nachkriegswährungsordnung mit fixen internationalen Wechselkursen fest, die allen Zentralbanken den Umtausch ihrer Dollar-Guthaben in Gold garantierte. Sie bewährte sich, bis die Leistungsbilanzdefizite der USA zunahmen und sie der Umtauschverpflichtung für ihre exportierten Dollars kaum noch nachkommen konnten: 1960 waren die Auslandsschulden von 18,7 Milliarden Dollar noch mit Goldbeständen für 17,8 Milliarden Dollar gedeckt. 1971 waren die US-Goldvorräte 10,2 Milliarden Dollar wert, dem Ausland schuldete das Land aber 55,4 Milliarden Dollar. Dem damaligen De-facto-Bankrott innerhalb des Goldstandards entging die US-Regierung nur dadurch, dass sie am 15. August 1971 erklärte, ausländischen Notenbanken kein Gold mehr für Dollars zu geben. Bald darauf brach auch das System der festen Wechselkurse zusammen. Seit dieser Abschaffung der Goldbindung kann die Notenbank Fed so viel Geld drucken, wie sie es für richtig hält. Die US-Leistungsbilanzdefizite sind seither immens angestiegen.

Geldflut. Befürworter des Goldstandards führen ins Feld, dass die Hyperinflation in Deutschland oder der Börsencrash 1929 nur auf Grund der aufgeblähten Geldmenge möglich gewesen seien. Ironischerweise war es gerade Alan Greenspan, der in seiner Amtszeit alle Krisen mit Niedrigzinsen und einer Ausweitung der Geldmenge bekämpfte – zuletzt nach dem Anschlag auf das World Trade Center. Kritiker sehen in dieser Politik die Ursache für die jeweils nächste Krise. So sei das billige Greenspan-Geld der Treibstoff für den Immobilienboom gewesen.

Der Goldpreis entwickelte sich seit dem Ende des Goldstandards sehr unterschiedlich und war immer auch Spielball staatlicher Politik. So versuchte die amerikanische Regierung lange, durch massive Goldverkäufe den Preis niedrig zu halten. Ein hoher Goldpreis wurde als Bedrohung der eigenen Währung gesehen. Tatsächlich war das Gold meist stark, wenn der Dollar schwach war – und umgekehrt (siehe Grafik oben links). Am 21. Januar 1980 endete die letzte Gold-Hausse: Exakt 850 Dollar wurde für die Feinunze bezahlt. Danach fiel das Edelmetall dramatisch, bevor es auf neue Rekordstände kletterte.

Angesichts der Probleme mancher Euro-Länder ist hinter den Kulissen die Debatte um eine Wiedereinführung des Goldstandards neu entbrannt. Doch eine Golddeckung ihrer Währung ist bei Regierungen unbeliebt. Denn sie zwingt zu Haushaltsdisziplin und hemmt das Schuldenmachen. Wenn es aber hart auf hart kommt, wäre eine 25-Prozent-Hinterlegung der Geldmenge durch Gold möglich, meinen Experten. Dann wäre das Gold wieder – wie schon vor Jahrtausenden – die wahre Währung.

(Quelle: Mittwoch, 25.02.2009 von FOCUS-MONEY-Redakteur Hans Sedlmaier )